Teneriffa | Geschichte & Geschichten

Teneriffa | Geschichte & Geschichten

Piratenangriffe auf Teneriffa im 16. Jahrhundert – Gefahr für Küstenorte wie Adeje

Piratenangriffe auf Teneriffa im 16. Jahrhundert – Gefahr für Küstenorte wie Adeje

Im Verlauf des 16. Jahrhunderts sah sich Teneriffa wiederholt Angriffen durch Piraten und Freibeuter ausgesetzt. Die strategische Lage der Insel als Zwischenstation auf dem Seeweg zwischen Europa, Afrika und der Neuen Welt machte sie zu einem attraktiven Ziel für Plünderer, die auf schnelle Beute, Sklaven und Einfluss aus waren. Besonders die Stadt Adeje, gelegen im Südwesten Teneriffas, wurde mehrfach von Piraten heimgesucht und steht exemplarisch für die Bedrohung, der sich viele Küstengemeinden jener Zeit ausgesetzt sahen.

Historischer Kontext

Die Kanarischen Inseln gewannen im Zuge der europäischen Expansion ab dem späten 15. Jahrhundert erheblich an Bedeutung. Als wichtige Station auf den Atlantikrouten zwischen Spanien und den amerikanischen Kolonien wurden sie zu einem begehrten Knotenpunkt im transatlantischen Handel. Dieser Umstand rief nicht nur Händler, Missionare und Entdecker auf den Plan – sondern auch Piraten und Korsaren aus verschiedenen Regionen Europas und Nordafrikas.

Viele dieser Seeräuber agierten als sogenannte Freibeuter im Auftrag europäischer Mächte wie Frankreich oder England. In einer Zeit permanenter Konflikte zwischen katholischen und protestantischen Reichen wurde die Piraterie oft politisch instrumentalisiert. So griffen Piraten gezielt spanische Besitzungen an, um die Vormachtstellung der Habsburger im Atlantikraum zu schwächen, ohne offene Kriege zu riskieren (vgl. Lane, 1998, S. 103–104).

Piratenangriffe auf Teneriffa – mit Schwerpunkt Adeje

Mehrere historische Quellen berichten von Angriffen auf Teneriffa durch berüchtigte Piraten des 16. Jahrhunderts, insbesondere auf kleinere, schwächer verteidigte Küstenorte wie Adeje. Zu den prominentesten Angreifern zählen:

1. 1553: Angriff durch François Le Clerc („Jambe de Bois“)

François Le Clerc, ein gefürchteter französischer Freibeuter, überfiel im Jahr 1553 die Stadt Adeje. Bereits bekannt für seine Angriffe auf spanische Schiffe in der Karibik, verlagerte Le Clerc seine Aktivitäten vorübergehend in den atlantischen Raum. Der Angriff auf Adeje war Teil einer größeren Offensive gegen spanische Stützpunkte entlang der Kanarischen Inseln und Westafrikas. Die Piraten landeten unter dem Schutz der Dunkelheit, plünderten die Ortschaft und zogen sich nach erfolgreichem Raubzug wieder zurück (vgl. Marley, 2010, S. 185–186).

2. Späte 1560er/1570er Jahre: nordafrikanische Korsaren

Während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es immer wieder zu Überfällen durch nordafrikanische Piraten – insbesondere aus den osmanisch dominierten Gebieten von Algier und Tunis. Obwohl Khair ad-Din Barbarossa selbst bereits 1546 verstorben war, operierten seine Nachfolger, die sogenannten Barbareskenkorsaren, weiterhin entlang der nordatlantischen Küsten Spaniens. Überfälle auf Teneriffa sind für diese Zeit dokumentiert, allerdings gibt es keine gesicherten Hinweise, dass Barbarossa selbst oder seine Flotte Adeje angriff (vgl. Konstam, 2007, S. 112).

3. 1595: Angriff durch Sir Francis Drake (unbestätigt auf Adeje)

Der berühmte englische Freibeuter Sir Francis Drake unternahm 1595 eine Expedition gegen die spanischen Besitzungen im Atlantik. Dabei griff er unter anderem Las Palmas auf Gran Canaria an, scheiterte jedoch an der Verteidigung. Für Teneriffa ist ein groß angelegter Angriff Drakes auf Santa Cruz im Jahr 1585 gut belegt; ein direkter Überfall auf Adeje durch ihn ist hingegen nicht zweifelsfrei dokumentiert, wird jedoch in lokalen mündlichen Überlieferungen erwähnt (vgl. Cordingly, 2006, S. 87–89).

Folgen und Reaktionen der Bevölkerung

Die Piratenangriffe hatten schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung: Verlust von Leben, Zerstörung von Eigentum und wirtschaftliche Einbußen waren an der Tagesordnung. Die Angst vor neuen Überfällen führte zu einem tiefgreifenden Wandel im Sicherheitsdenken der Küstengemeinden.

Als Reaktion auf die Bedrohung wurden auf Teneriffa mehrere Wachtürme und Befestigungen errichtet – darunter der bekannte Torre del Conde in San Sebastián de La Gomera (älter, aber verstärkt genutzt) und lokale Wachsysteme in Orten wie Adeje. Bürgerwehren und Milizen organisierten sich, teilweise mit Unterstützung durch die spanische Krone, die den Schutz der Inseln nicht vernachlässigen konnte, ohne ihren Ruf als Kolonialmacht zu gefährden.

Die Verteidigungsstrategie basierte dabei oft auf Alarmketten: Sobald ein Schiff am Horizont gesichtet wurde, warnten Signaltrommeln, Feuer oder Rauchzeichen die angrenzenden Dörfer, damit sich die Bevölkerung rechtzeitig in Sicherheit bringen oder verteidigen konnte (vgl. Lane, 1998, S. 121).

Erinnerung und Erbe

Heute zeugen Ruinen, Museen und lokale Feste von der bewegten Vergangenheit Teneriffas im Zeitalter der Piraterie. Die Ereignisse des 16. Jahrhunderts sind Teil des kollektiven Gedächtnisses der Inselbevölkerung – ein Kapitel voller Gefahren, aber auch des Widerstandswillens und der Resilienz.

Insbesondere in Adeje wird das Erbe dieser Epoche durch historische Stadtführungen und Ausstellungen lebendig gehalten. Diese Geschichte dient nicht nur der touristischen Vermittlung, sondern auch der Bewahrung des kulturellen Selbstverständnisses – als Teil eines maritimen Erbes, das die Entwicklung Teneriffas nachhaltig prägte.

Die Piratenangriffe auf Teneriffa im 16. Jahrhundert waren Ausdruck einer Zeit intensiver geopolitischer Spannungen und kolonialer Expansion. Orte wie Adeje gerieten durch ihre Lage ins Zentrum dieser Konflikte. Die Angriffe mögen verheerend gewesen sein – doch sie führten auch zur Entstehung neuer Verteidigungsstrukturen, gesellschaftlicher Mobilisierung und eines historischen Bewusstseins, das bis heute spürbar ist.

Quellenangaben:
  • Cordingly, David: Under the Black Flag: The Romance and the Reality of Life Among the Pirates, Harcourt, 2006.
  • Konstam, Angus: Piracy: The Complete History, Osprey Publishing, 2007.
  • Marley, David F.: Pirates of the Americas, ABC-CLIO, 2010.
  • Lane, Kris E.: Pillaging the Empire: Piracy in the Americas 1500–1750, M.E. Sharpe, 1998.
  • Fernández-Armesto, Felipe: Before Columbus: Exploration and Colonization from the Mediterranean to the Atlantic, University of Pennsylvania Press, 1987.
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