Teneriffa | Geschichte & Geschichten

Garachico 1706 – Als Lava die Küste veränderte
Stell Dir vor, Du wachst auf, hörst ein tiefes Grollen in den Bergen hinter Dir. Die Luft riecht nach Schwefel, feine Asche wirbelt durch die engen Gassen. Als Du zum Himmel blickst, steigt schwarzer Rauch aus den Hängen der Montaña de Trevejo auf – dort, wo es gestern noch ruhig war. Es ist der 5. Mai 1706, und Du stehst am Beginn einer der größten Naturkatastrophen, die Teneriffa je erlebt hat.
Eine Stadt auf dem Höhepunkt
Anfang des 18. Jahrhunderts war Garachico eine der wohlhabendsten Städte Teneriffas. Der Naturhafen verband die Insel mit Europa, Afrika und Amerika. Von hier aus wurden Wein, Zucker und Bananen exportiert. Die Stadt war Sitz von Kaufleuten, Ordensgemeinschaften und Künstlern – eine florierende Hafenstadt mit Kultur, Reichtum und Einfluss.
Der Ausbruch beginnt
Am frühen Morgen des 5. Mai 1706 brach oberhalb von Garachico, im Gebiet der heutigen Montaña de Trevejo, ein Vulkan aus. In nur wenigen Stunden öffneten sich mehrere Risse in der Erde. Aus diesen Spalten ergossen sich Lavaströme talwärts – langsam, aber unaufhaltsam.
Zunächst waren es Häuser und Plantagen, die unter der glühenden Masse verschwanden. Doch innerhalb weniger Tage erreichte die Lava auch Garachico selbst – sie bahnte sich ihren Weg durch die Stadt bis hinunter zur Küste.
Der Hafen verschwindet
Der größte Schlag für Garachico war nicht die Zerstörung von Häusern oder Feldern – sondern der Verlust des Hafens. Der Lavastrom erreichte das Meer, erstarrte dort und formte eine neue, zerklüftete Küstenlinie. Der einst so offene Zugang zum Atlantik war versperrt.
Garachico verlor damit über Nacht seine zentrale Rolle im Seehandel. Die wirtschaftliche Macht wanderte ab – nach Puerto de la Cruz und Santa Cruz de Tenerife, wo neue Häfen entstanden.
Überleben und Wiederaufbau
Überraschenderweise gab es trotz der Gewalt des Ausbruchs nur wenige Todesopfer. Die Lava bewegte sich langsam genug, dass viele Menschen Zeit zur Flucht hatten. Trotzdem hinterließ die Katastrophe tiefgreifende Wunden. Zahlreiche Häuser, Kirchen und Straßen wurden zerstört. Landwirtschaftliche Flächen waren unbrauchbar.
Doch die Bewohner gaben nicht auf. Sie begannen mit dem Wiederaufbau – nicht an neuer Stelle, sondern genau dort, wo alles zerstört worden war. Garachico wurde kleiner, bescheidener, aber nicht aufgegeben.
Die Spuren des Feuers
Noch heute kannst Du sehen, was 1706 geschah. Die schwarzen Lavafelder an der Küste, die natürlichen Meeresschwimmbecken „El Caletón“, entstanden durch genau jenen Lavastrom. Auch der neue Küstenverlauf zeugt vom Wandel, den der Ausbruch mit sich brachte.
Die Stadt präsentiert sich heute als ein ruhiges, geschichtsträchtiges Juwel mit kolonialem Charme. Sie ist stolz auf ihr Erbe – nicht trotz, sondern wegen des Vulkanausbruchs. Er gehört zur Identität von Garachico wie das Meer und die Kirchenkuppeln.
Der Vulkan hat einen Namen – und es ist nicht „Arenas Negras“
In vielen modernen Texten wird der Ausbruch von 1706 fälschlich dem „Vulkan Arenas Negras“ zugeschrieben. Dieser Name bezeichnet jedoch entweder ein anderes Vulkangebiet oder wird allgemein für Regionen mit schwarzem Lavagestein verwendet. Der richtige Name des ausbrechenden Vulkans lautet „Volcán de Trevejo“, manchmal auch „Montaña Negra“ genannt. Diese Unterscheidung ist wichtig – nicht nur geologisch, sondern auch historisch.
Ein Vermächtnis aus Feuer
Die Geschichte Garachicos ist die Geschichte einer Stadt, die gefallen und wieder auferstanden ist. Der Ausbruch von 1706 hat sie ihrer wirtschaftlichen Stärke beraubt – aber nicht ihres Charakters. Heute lebt Garachico vom Tourismus, von seiner Vergangenheit und vom Stolz auf seine Widerstandsfähigkeit.
Vielleicht ist das der eigentliche Schatz, der nach dem Feuer geblieben ist.
Quellen und weitere Informationen:
- Juan Carlos Carracedo & Valentin R. Troll:
Los volcanes de Canarias – Geología e historia eruptiva (Editorial Rueda, 2013)
ISBN: 978-84-7207-179-4 - Gobierno de Canarias – Erupciones Históricas
- Museo de la Naturaleza y Arqueología (MUNA), Teneriffa:
Dauerausstellung „Geología de Canarias“ - Historische Karten und Berichte (18. Jahrhundert):
Archivmaterial aus dem Archivo General de Indias und dem Archivo Histórico Provincial de Santa Cruz de Tenerife
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