Teneriffa | Geschichte & Geschichten

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Der Widerstand der Guanchen in Masca: Zwischen Geschichte und Legende

Der Widerstand der Guanchen in Masca: Zwischen Geschichte und Legende

Die Geschichte der Guanchen ist eng mit der rauen Geografie und den tief verwurzelten Traditionen der Insel verbunden. Einer der Orte, an dem ihr Widerstand gegen die spanischen Eroberer besonders lebendig geblieben ist, ist das abgelegene Dorf Masca im Teno-Gebirge. Heute ist Masca nicht nur ein beliebtes Wanderziel, sondern auch ein Symbol für die letzte Phase des guanchischen Widerstands – eine Geschichte, in der gesicherte historische Fakten auf lokale Legenden und Mythen treffen.

Masca – Geografie und strategischer Rückzugsort

Masca liegt im nordwestlichen Teil Teneriffas, eingebettet in die steilen Schluchten und zerklüfteten Gipfel des Teno-Gebirges. Bis ins 20. Jahrhundert war das Dorf nur zu Fuß erreichbar. Diese schwer zugängliche Lage machte es zur idealen Zuflucht für Guanchen, die nach der kastilischen Invasion versuchten, sich dem Zugriff der Kolonialmacht zu entziehen.

Das Gelände mit seinen engen Pfaden und versteckten Höhlen bot nicht nur Schutz, sondern auch taktische Vorteile. In einem Guerillakrieg gegen eine technologisch überlegene Besatzungsmacht zählte jede natürliche Barriere – und davon hatte Masca reichlich.

Historischer Kontext: Die Eroberung Teneriffas

Die Eroberung Teneriffas begann 1494 unter Alonso Fernández de Lugo. Die Guanchen, organisiert in neun Menceyatos (kleinen Königreichen), leisteten unter Führung des Mencey Bencomo (Taoro) erbitterten Widerstand. Die Kastilier erlitten zunächst eine schwere Niederlage in der Ersten Schlacht von Acentejo – einem der größten militärischen Erfolge der Guanchen. Doch 1496 fiel die Insel nach der Zweiten Schlacht von Acentejo endgültig an Kastilien.

Während viele Guanchen in Gefangenschaft gerieten oder zur Zwangsarbeit verschleppt wurden, zogen sich andere in abgelegene Regionen zurück – darunter Masca, das als Rückzugsort in die mündliche Überlieferung einging.

Widerstand in Masca: Realität und Vermutung

Es gibt keine schriftlichen Primärquellen aus der Zeit um 1496, die einen konkreten Guerillakrieg in Masca belegen. Historiker gehen jedoch davon aus, dass abgelegene Orte wie Masca, Teno Alto oder Anaga Rückzugsgebiete für überlebende Guanchen waren. Die Vorstellung eines organisierten Widerstands mit Guerillataktiken basiert auf mündlichen Überlieferungen, archäologischen Hinweisen und regionalen Legenden.

Höhlen in der Umgebung wurden als Unterschlupf genutzt, und Funde einfacher Werkzeuge und Keramikfragmente deuten darauf hin, dass hier zumindest zeitweise Menschen lebten, die sich der spanischen Kontrolle entzogen.

Mythen und Legenden um Masca

Viele der heute erzählten Geschichten aus Masca basieren auf mündlicher Überlieferung. Eine der bekanntesten Legenden berichtet vom jungen Krieger Ayoze, der sich mit wenigen Getreuen in der Masca-Schlucht versteckt und aus dem Hinterhalt gegen spanische Truppen gekämpft haben soll. Historisch ist dieser Ayoze nicht nachgewiesen – der Name stammt vermutlich vom gleichnamigen Mencey von Adeje, der 1495 kapitulierte.

Eine andere Erzählung berichtet von schamanischen Ritualen, die in Höhlen abgehalten wurden, um spirituelle Kraft im Kampf zu erlangen. Schamanen wie der sagenhafte Tanausú (historisch jedoch Herrscher von La Palma, nicht Masca) sollen demnach durch Rituale die Geister der Ahnen herbeigerufen haben, um die letzten Kämpfer zu stärken. Solche Geschichten spiegeln vor allem das Bedürfnis wider, Widerstand auch spirituell zu deuten und zu bewahren.

Frauen im Widerstand: Realität oder romantisierte Erinnerung?

Auch über weibliche Figuren wie Guacimara, eine mutige Botenfrau und Kriegerin, gibt es in Masca viele Erzählungen. Sie soll sich in die Reihen der Spanier geschlichen haben, um Informationen an die guanchischen Kämpfer weiterzugeben. Diese Geschichten spiegeln die wichtige Rolle wider, die Frauen in der guanchischen Gesellschaft hatten – ob sie jedoch in dieser Form historisch sind, bleibt offen. Guacimara wird auch in Gedichten und Romanen des 20. Jahrhunderts erwähnt, was auf eine literarische Ausformung der Legende hinweist.

Masca heute: Landschaft und Erinnerung

Heute ist Masca ein beliebtes Ziel für Wanderer und Tagesausflügler. Die beeindruckende Masca-Schlucht, die steil zum Atlantik abfällt, zieht jährlich tausende Besucher an. Doch abseits der Natur beeindruckt der Ort auch durch sein kulturelles Gedächtnis: Die Geschichten vom Widerstand der Guanchen gehören für viele Dorfbewohner zur Identität. In Gesprächen mit Einheimischen wird deutlich, wie sehr diese Erinnerungen noch heute lebendig sind – nicht als exakte Geschichtsschreibung, sondern als kollektives Symbol von Stärke und Wurzeln.

Masca als Ort der Erinnerung

Masca steht exemplarisch für eine Phase der kanarischen Geschichte, in der sich ein indigenes Volk gegen eine übermächtige Kolonialmacht behauptete – mit Mut, Kenntnis der Landschaft und kultureller Identität. Auch wenn viele Geschichten über den Widerstand dort keine gesicherten historischen Fakten sind, spiegeln sie eine tiefe kollektive Erinnerung wider, die für die kanarische Bevölkerung bis heute identitätsstiftend ist.

Der Widerstand in Masca ist mehr als eine Episode im Geschichtsbuch. Er ist ein Stück lebendige Erinnerung, das von Mut erzählt – und vom ungebrochenen Willen, auch in aussichtsloser Lage nicht aufzugeben.

Quellen
  • Gobierno de Canarias (2022): Masca y su entorno natural
  • Bethencourt Alfonso, J. (1991): Historia del pueblo guanche
  • Morales Padrón, F. (1993): Historia de Canarias
  • Aznar Vallejo, E. (2014): La conquista de Canarias
  • Archivo Histórico Provincial de Santa Cruz de Tenerife
  • González Antón, R. (2001): Etnografía y arqueología del noroeste de Tenerife
  • Instituto Canario de Patrimonio Cultural (ICPC)
  • Álvarez Delgado, J. (1982): Tradiciones y leyendas guanches
  • Canarias Cultura en Red (2018): Oralidad y memoria en el medio rural de Tenerife
  • María Rosa Alonso (1984): Guacimara y otras mujeres legendarias de Canarias
  • Ayuntamiento de Buenavista del Norte
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