Teneriffa | Geschichte & Geschichten

Frühe Begegnungen im Atlantik
Die portugiesische Expedition von 1341 zu den Kanarischen Inseln
Lange bevor die Kanarischen Inseln Teil der kastilischen Krone wurden, rückten sie bereits in den Fokus europäischer Entdeckungsfahrten. Eine der ersten bekannten und dokumentierten Expeditionen zu den Inseln wurde im Jahr 1341 unter der Schirmherrschaft des portugiesischen Königs Afonso IV. durchgeführt.
Diese Reise – heute bekannt als die „Viagem de Guinés“ – war Teil einer größeren Initiative, den Atlantikraum zu erkunden. Sie markiert einen frühen Moment europäischer Neugier, bei dem sich wirtschaftliche Interessen, geografische Erkundung und erste ethnografische Beobachtungen miteinander verbanden.
Zwischen Handel und Neugier
Die Expedition war keine rein portugiesische Unternehmung. Beteiligt waren auch Genueser und mallorquinische Seeleute, was auf ein Netzwerk überregionaler maritimer Interessen hinweist. Geleitet wurde sie unter anderem vom Genueser Niccoloso da Recco, dessen Berichte zu den wichtigsten Quellen über die Fahrt zählen.
Ursprünglich war das Ziel der Reise die westafrikanische Küste – insbesondere die wenig bekannte Region Guinée. Doch ein Großteil der Fahrt galt dem kanarischen Archipel, das damals noch außerhalb direkter europäischer Einflussnahme lag.
Landgänge auf den Inseln
Die Flotte sichtete und besuchte mehrere Inseln, darunter Lanzarote, Fuerteventura, Gran Canaria, La Gomera und vermutlich auch Teneriffa.
Die Begegnungen mit der indigenen Bevölkerung verliefen überwiegend friedlich, wenn auch distanziert. Die Berichte zeugen von aufmerksamer Beobachtung: Die Reisenden beschrieben Kleidung und Haartracht der Einheimischen, ihre Waffen, Wohnformen und gesellschaftlichen Strukturen – teilweise mit überraschender Genauigkeit.
Diese Beschreibungen gelten heute als früheste systematische ethnografische Darstellungen der kanarischen Ureinwohner, insbesondere der Guanchen.
Kein Eroberungsversuch – aber klare Absichten
Trotz ihrer Reichweite war die Expedition nicht militärisch motiviert. Es ging weder um Eroberung noch um unmittelbare Missionierung. Vielmehr sollte die wirtschaftliche und geostrategische Bedeutung der Inseln abgeschätzt werden.
- Eignen sich die Kanaren als Stützpunkte für eine zukünftige Expansion nach Süden?
- Gibt es Ressourcen oder Handelsmöglichkeiten?
- Können hier erste Kontakte zur späteren Christianisierung der Bevölkerung geknüpft werden?
Die Ergebnisse wurden in Portugal und darüber hinaus mit großem Interesse aufgenommen. Doch es blieb zunächst bei einer Bestandsaufnahme. Ein dauerhafter Anspruch auf die Inseln wurde von portugiesischer Seite nicht erhoben.
Der Anfang einer langen Konkurrenz
Die portugiesische Präsenz auf den Kanaren blieb episodisch. In den Folgejahren kam es zu vereinzelten Rückkehrfahrten, zum Teil auch mit dem Ziel, Einheimische zu verschleppen oder Handelskontakte zu etablieren.
Doch in den Jahrzehnten danach trat Kastilien entschlossener auf: Ab 1402 begannen kastilisch-normannische Eroberungszüge unter Jean de Béthencourt, unterstützt von religiöser Legitimation durch das Papsttum.
Portugal konzentrierte sich bald auf andere Regionen: Madeira (ab 1419), die Azoren (ab 1432) und später die westafrikanische Küste rückten in den Vordergrund. Im Vertrag von Alcaçovas-Toledo (1479/80) verzichtete Portugal schließlich formell auf die Kanaren – zugunsten kastilischer Vorherrschaft.
Ein Blick zurück
Die Expedition von 1341 wirkt aus heutiger Sicht wie ein historischer Seitenpfad – doch sie war mehr als das. Sie zeigt, dass die Kanarischen Inseln früh Teil des europäischen Blickfeldes wurden, noch bevor von einer Eroberung die Rede war.
Sie verdeutlicht, wie Portugal – eine der führenden Seemächte des 14. Jahrhunderts – sich bereits vor dem Zeitalter der großen Entdeckungen mit den Möglichkeiten jenseits der bekannten Welt beschäftigte.
Die Kanaren wurden zu einem Schauplatz dieser ersten atlantischen Annäherung – und stehen damit am Anfang einer Geschichte, die bald globale Dimensionen annehmen sollte.
Quellen und weiterführende Literatur:
- Horst Sigl: Kirche und Kolonialismus. Die Missionierung der Kanarischen Inseln im 14. und 15. Jahrhundert, Stuttgart 1993
- James Muldoon: The Spiritual Crusade and the Discovery of the New World, Philadelphia 1977
- Felipe Fernández-Armesto: Before Columbus. Exploration and Colonization from the Mediterranean to the Atlantic 1229–1492, University of Pennsylvania Press, 1987
- R. Martínez: El litigio entre Portugal y Castilla por las Islas Canarias, Revista de Historia Canaria, 1990
- Crónicas de Guinea (zeitgenössische portugiesische Quellen)
Voriger Beitrag | Zurück zur Übersicht | Nächster Beitrag |