Teneriffa | Geschichte & Geschichten

Die Schlacht von Santa Cruz 1797: Nelsons Niederlage auf Teneriffa
Im Sommer des Jahres 1797 wurde die ruhige Inselhauptstadt Santa Cruz de Tenerife Schauplatz einer der spektakulärsten, wenn auch wenig erfolgreichen Unternehmungen der britischen Marine. Die Schlacht von Santa Cruz de Tenerife, angeführt vom berühmten Admiral Horatio Nelson, war Teil einer größeren Strategie Großbritanniens, die globalen Versorgungs- und Handelslinien seiner Gegner im Zuge der Koalitionskriege gegen das revolutionäre Frankreich zu stören.
Nelson trifft auf den kanarischen Widerstand
Ein strategischer Schlag im Schatten der Napoleonischen Kriege
Zu dieser Zeit war Spanien, ehemals Gegner, inzwischen Verbündeter Frankreichs, was die Kanarischen Inseln zu einem potentiellen Ziel britischer Operationen machte. Teneriffas geostrategische Lage mitten im Atlantik – als maritimer Knotenpunkt zwischen Europa, Afrika und Südamerika – rückte die Insel ins Visier Londons. Wer diesen Hafen kontrollierte, hatte Einfluss auf die Seerouten der Welt.
Die britische Offensive: Planung und Ambition
Im Juli 1797 schickte die Royal Navy eine Expeditionsflotte unter Admiral Horatio Nelson, damals Rear Admiral of the Blue, zur Eroberung von Santa Cruz de Tenerife. Unterstützt wurde Nelson von Sir John Jervis, Kommandeur der Mittelmeerflotte, der dem jungen Admiral volle Handlungsfreiheit gewährte.
Ziel war nicht nur die Einnahme des Hafens und die Zerstörung der dortigen spanischen Flotte, sondern auch die Plünderung der Stadtreserven, um britische Kriegskassen zu füllen – eine gängige Praxis zu jener Zeit. Das Kommandozentrum der Offensive lag an Bord der HMS Theseus, einem 74-Kanonen-Schiff.
Nelsons Strategie beruhte auf Überraschung, Geschwindigkeit und der Zerschlagung der Verteidigungslinien vor einer vollständigen Mobilmachung der spanischen Truppen. Doch die Verteidigung von Santa Cruz war nicht nur wachsam, sondern auch bestens vorbereitet.
Die Verteidigung: Santa Cruz unter General Antonio Gutiérrez
Dem britischen Angriff stellte sich der erfahrene spanische Offizier General Antonio Gutiérrez de Otero y Santayana entgegen – ein Mann, dessen strategisches Geschick und Ortskenntnis entscheidend für den Ausgang der Schlacht waren.
Santa Cruz verfügte über ein komplexes System an Küstenbatterien, darunter das Castillo de San Cristóbal und das Castillo de Paso Alto, die Hafeneinfahrt und Strände kontrollierten. Die Stadtmauern wurden durch rund 1.600 Soldaten, darunter reguläre Truppen und lokale Milizen, verteidigt.
Gutiérrez verteilte seine Kräfte gezielt und konnte zudem auf die Unterstützung der Bevölkerung bauen, die in großer Zahl an der Verteidigung mitwirkte – ein Aspekt, der oft übersehen wird, aber den Charakter des Widerstands entscheidend prägte.
Die Schlacht: Fehlgeschlagene Landung und Nelsons Verwundung
In der Nacht des 22. auf den 23. Juli 1797 versuchten britische Boote unter Deckung der Dunkelheit an mehreren Stellen an Land zu gehen. Doch das Wetter, die starke Strömung und das koordinierte spanische Abwehrfeuer vereitelten die Pläne.
Am 24. Juli leitete Nelson persönlich den entscheidenden Sturmangriff auf den Hafen. Noch bevor seine Truppen richtig Fuß fassen konnten, wurde Nelson am rechten Arm von einer Musketenkugel getroffen, vermutlich abgefeuert von der Küstenbatterie Tigre. Sein Arm musste später am Bord der Theseus amputiert werden – ein Schicksalsschlag, der seine Karriere jedoch nicht beendete.
Trotz mehrfacher Versuche konnten die Briten die inneren Verteidigungslinien nicht durchbrechen. Die spanischen Verteidiger zeigten sich diszipliniert, widerstandsfähig und überraschend gut organisiert. Nelsons Truppen waren zu verstreut, zu erschöpft und zu verwundbar, um den Angriff fortzusetzen.
Ehrenvolle Kapitulation und britischer Rückzug
Am Morgen des 25. Juli – dem Tag des Heiligen Jakobus, Schutzpatron Spaniens – sah sich Nelson gezwungen, Kapitulierungsgespräche anzubieten. General Gutiérrez zeigte sich großherzig: Er erlaubte den britischen Truppen den ehrenvollen Abzug, sogar mit ihren Waffen, unter der Bedingung, dass sie sich verpflichteten, Santa Cruz nie wieder anzugreifen.
Ein Akt militärischer Ehre, der in britischen wie spanischen Quellen bis heute Respekt hervorruft.
Bedeutung und Nachwirkungen der Schlacht
Die Niederlage in Santa Cruz war eine der wenigen klaren Rückschläge in Nelsons ansonsten ruhmreicher Karriere – aber auch eine prägende Erfahrung. Die Fehler der Landungsoperation – übermäßige Risikobereitschaft, mangelnde lokale Kenntnis, Überschätzung der Truppenstärke – wurden von Nelson später in strategisches Wissen umgewandelt, das in den legendären Siegen von Kopenhagen (1801) und Trafalgar (1805) zum Tragen kam.
Für die spanische Seite wurde der Sieg zu einem Symbol nationaler Stärke und lokaler Einheit. Noch heute wird der 25. Juli in Santa Cruz gefeiert, mit Nachstellungen der Schlacht, Paraden und Gedenkfeiern. Es ist ein Tag, an dem die Insel ihren Triumph über eine der größten Seemächte jener Zeit feiert.
Eine Schlacht, zwei Erzählungen
Die Schlacht von Santa Cruz de Tenerife war kein weltpolitischer Wendepunkt, aber sie war eine Geschichte von Mut, Fehlplanung, lokaler Resilienz und militärischem Ehrenkodex. In einer Zeit brutaler Kolonialkämpfe zeigt sie, dass Verteidigung nicht immer durch Macht, sondern auch durch Klugheit und Gemeinschaft erfolgreich sein kann.
Nelson verließ Teneriffa verwundet – körperlich wie militärisch. Doch für Santa Cruz war es ein Tag des Sieges, an den man sich bis heute erinnert.
Quellenangaben
- Goodwin, Peter. Nelson’s Ships: A History of the Vessels in Which He Served, 1771–1805. Conway Maritime Press, 2002.
- Fernández Vial, Ignacio. La Gesta del 25 de Julio: Nelson en Santa Cruz de Tenerife. Ediciones Idea, 2007.
- Rodríguez Mesa, Juan Carlos. La defensa de Santa Cruz en 1797. Museo Militar Regional de Canarias, 2014.
- Royal Navy Historical Archives. Battle of Santa Cruz – Dispatches of Admiral Nelson, 1797.
- Cabildo de Tenerife – Fundación Canaria 25 de Julio.
- Museo Histórico Militar de Canarias, Santa Cruz de Tenerife – Ausstellungen und Primärquellenmaterial.
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