Teneriffa | Gesellschaft & Politik

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Grün auf kanarisch – Die politische Ökologie von Sí Se Puede

Grün auf kanarisch – Die politische Ökologie von Sí Se Puede

Wenn von grüner Politik die Rede ist, denken viele an Parteien wie „Die Grünen“ in Deutschland oder „Europe Écologie“ in Frankreich – an klare Logos, überregionale Parteiapparate und Klimagesetze im Parlament. Auf den Kanarischen Inseln sieht das anders aus. Die grüne Bewegung ist dort klein, lokal verankert, oft unbequem – und hört auf den Namen Sí Se Puede.

Ursprünge in der Bürgerbewegung

Sí Se Puede („Ja, es ist möglich“) wurde 2007 auf Teneriffa gegründet – nicht als klassische Partei, sondern als Plattform aus Umweltaktivist:innen, Sozialinitiativen und Basisgruppen. Ausgangspunkt war die wachsende Unzufriedenheit mit der etablierten Politik, besonders im Hinblick auf Bauprojekte, Naturzerstörung und mangelnde Bürgerbeteiligung.

In vielen Gemeinden, vor allem im Norden Teneriffas, traten Aktivist:innen bei Kommunalwahlen an – nicht mit Parteiprogrammen, sondern mit konkreten lokalen Forderungen: weniger Zubetonierung, mehr Transparenz, besserer Schutz für Küsten, Wälder und Wasser.

Ökologisch, aber nicht ideologisch

Sí Se Puede versteht sich als ökologische, soziale und basisdemokratische Bewegung. Der Fokus liegt auf den konkreten Bedürfnissen der Inselbevölkerung – Umwelt- und Sozialpolitik werden dabei nicht getrennt gedacht. Themen wie Wasserversorgung, öffentlicher Nahverkehr, erneuerbare Energien, Bodenspekulation und Tourismusfolgen gehören zum festen Repertoire.

Die Partei hat bewusst auf hierarchische Strukturen verzichtet. Entscheidungen werden auf Vollversammlungen getroffen, Mandatsträger:innen sind rechenschaftspflichtig gegenüber ihren lokalen Gruppen. Das macht sie schwer fassbar – aber auch widerstandsfähig gegen Vereinnahmung.

Erfolge im Kleinen

In Gemeinden wie El Rosario, Tacoronte oder La Laguna konnte Sí Se Puede zeitweise Ratsmitglieder stellen oder Koalitionen mitbilden. Dort verhinderten sie umstrittene Bauvorhaben, setzten neue Wasserschutzverordnungen durch oder blockierten die Privatisierung öffentlicher Dienste.

Auch im Kampf gegen Großprojekte wie den Straßenbau durch das Teno-Gebirge oder geplante Luxusresorts an der Südküste spielte die Bewegung eine entscheidende Rolle – meist gemeinsam mit Umweltverbänden, Anwohnergruppen und Wissenschaftler:innen.

Teil von etwas Größerem

Trotz ihrer lokalen Ausrichtung kooperierte Sí Se Puede mit landesweiten Akteuren. Bei Regional- und Parlamentswahlen trat sie unter Bündnissen wie Sí Podemos Canarias oder Unidas Podemos an. Auch mit der grünen Partei Equo Canarias gab es punktuelle Kooperationen. Trotzdem blieb das eigene Profil deutlich: lokal verankert, bewegungsnah, basisorientiert.

Die Bewegung war auch an der Gründung von Ahora Canarias beteiligt – einem Bündnis, das kanarische Selbstbestimmung, ökologische Verantwortung und soziale Gerechtigkeit zusammenbringen will.

Kein leichtes Spiel

Sí Se Puede agiert in einem schwierigen Umfeld. Die politische Landschaft der Kanaren ist stark von Klientelismus, Großprojekten und einem Tourismus-getriebenen Wachstumsdenken geprägt. Medienpräsenz ist rar, finanzielle Mittel sind begrenzt. Viele Mandatsträger:innen arbeiten ehrenamtlich oder unter großem Druck. Doch gerade das ist Teil ihrer Glaubwürdigkeit.

Mehr Bewegung als Partei

Sí Se Puede zeigt, dass grüne Politik auf den Kanaren anders funktioniert. Weniger durch Programme, mehr durch Haltung. Weniger im Parlament, mehr auf der Straße. Weniger als Marke, mehr als Netz. Wer verstehen will, wie Umweltschutz, Demokratie und soziale Fragen auf den Inseln zusammenspielen, kommt an dieser Bewegung nicht vorbei.

Quellen und weiterführende Informationen
  • Offizielle Website von Sí Se Puede: sisepuedecanarias.org
  • Actas Municipales de El Rosario, Tacoronte, San Cristóbal de La Laguna (2007–2023)
  • Interviewreihe mit Mandatsträger:innen von SSP in Canarias Semanal und Diario de Avisos
  • Colectivo Harimaguada: Ecología y territorio en Canarias (2015)
  • Boletines del Parlamento de Canarias – Beiträge von Sí Podemos Canarias (2019–2023)
  • Red Canaria por el Clima – Positionspapiere in Kooperation mit SSP (2019)
  • Archivo de Equo Canarias: Kommunalstrategien und Kooperationsprotokolle (2011–2017)

 

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